texts
David John Flynn
a few words on the paintings
My painting concurrently expresses contradicting themes in art. The aim is not to nullify these themes, not to mesh them together but to have them challenge each other.
I compel the accidental and the restrained to occur in a painting. Marks on the canvas are traces, vestiges of the act of painting, and suggest spontaneous gestures that describe the image.
In my work a library of stencils (made of marks drawn from incidents, recollections and painting) assist in constructing a visual language. Paintings are created by using, reusing and distorting these elements. This advances the visual comprehension that these paintings are not merely vestiges of a spontaneous or reasoned painting process, but the conclusive application of combining intuition with the rational, an intuitive painting constructed out of a formal process.
The foundation of my work is the interest in these shifts of comprehension and deciphering the many facets of reality in painting
Franz Schneider, 2017
stations
Am Anfang sind es die Farben, die uns für diese Bilder einnehmen: diese strahlenden, durchscheinenden, flirrenden Farben, die sich in vielen hauchdünnen Schichten übereinanderlegen, sich umschmeicheln, betasten, durchdringen. Man möchte an Bonnard denken, bei dem auch alles ein wenig durchsichtig und flüchtig wirkt, so fest und nah es auch sein mag.
Flynns Bilder sind auf jeden Fall zunächst spürbar von diesem besonderen Farbauftrag bestimmt, in welchem die Formen sich an den Rändern auflösen, versinken oder auftauchen, mal pointiert, mal getupft, oft in einer lasierenden, changierenden Flächigkeit.
Und dann ist da dieses Leuchten: Die Bilder glänzen nicht an der Oberfläche - diese ist eher matt - sondern sie leuchten von innen, als würden sie dort von einer warmen Flamme langsam verzehrt und im Verglühen Schicht für Schicht nach außen gedrängt.
Dies verdanken sie einer ganz besonderen bildnerischen Technik, der Enkaustik, die David John Flynn über Jahre für sich weiterentwickelt und verfeinert hat: Aufwendig geriebene und aufbereitete Pigmente bindet der Künstler mit Bienenwachs und dem Harz des südostasiatischen Dammarbaumes und verleiht den Bildern auf diese Weise ihre intensive Leuchtkraft. In warmem Zustand aufgetragen, trocknen sie so langsam, dass der Künstler - sowohl überlegt als auch einer Eingebung folgend - in den Prozess eingreifen kann, aber doch so schnell, dass es möglich ist, den Entstehungsverlauf kontinuierlich und konsequent weiterzutreiben, ohne an mehreren Bildern gleichzeitig arbeiten zu müssen und den Prozess immer wieder auszusetzen.
Dabei verwendet Flynn für jedes Bild oder zumindest für jede Werkreihe eine vorher festgelegte Palette von Pigmentfarben, die miteinander vermischt werden und die den Bildern ihren Akkord, ihren Farbklang geben, welcher aber dennoch intuitiv nuanciert oder gar durchbrochen werden kann.
1980 kam David John Flynn von der Ostküste der USA, wo er 1952 in Connecticut geboren wurde, nach München. Seine Inspiration schöpfte er aus der Malerei der amerikanischen Nachkriegsmoderne und ihrem Zusammentreffen mit der europäischen Malerei. Elemente oder Einflüsse daraus sind in seiner Malerei der letzten Jahrzehnte immer wieder zu entdecken, auch wenn er daraus seine ganz eigene Technik und Bildsprache entwickelte.
So mögen manche Bereiche seiner hier gezeigten Bilder an eine Form des Colorfield Paintings erinnern, doch wo diese die Farbe direkt auf die Leinwand aufbrachte und sozusagen färbte, verwendet David John Flynn einen sorgsam erarbeiteten weißen Kreidegrund, der seinen Bildintentionen eher entgegen kommt. (Lediglich bei seinen Studien auf Papier trägt er die Farbe direkt auf den Malgrund auf.)
Die formtragenden Anteile seiner Bilder wiederum lassen Bezüge zur Hard-Edge-Malerei etwa eines Ellsworth Kelly oder Kenneth Noland erkennen, bei denen schablonenhafte, flächige, gegenstandslose Malformen mit relativ harten Kanten die Bildfläche strukturieren. Ziel einer solchen Vorgehensweise war dort, individuelle Pinselspuren auf der Bildoberfläche zu eliminieren, um jeden Eindruck von Emotionalität zu vermeiden.
Tatsächlich arbeitet auch David John Flynn mit einem wiederkehrenden Repertoire an rechteckigen Schablonen. Allerdings geben deren Binnenformen meist Pinselspuren des Künstlers wieder, die er auf Karton tupft, spritzt oder zieht, nach Bedarf vergrößert und deren ausgeschnittene Umrisse als Negativform verwendet.
So kommt durch die Hintertür doch wieder eine mehr oder minder emotionale Geste des Künstlers auf die Leinwand, allerdings nicht als direkte Spur, sondern als Zitat, als Bearbeitung, als Variation.
Oft wird gesagt, David John Flynns Bilder hätten eine lyrische, ja beinahe musikalische Komponente. Das mag zutreffen. Doch trotz der oft warmen Farbakkorde haben sie nichts Süßliches, naiv Liedhaftes. Sie sind eher aufgebaut wie ein vertracktes Jazz-Stück, das sich aus einem Repertoire von erarbeiteten Standards und freien Improvisationen zusammensetzt, welche immer wieder variiert werden können, und in dem sich Melodie und Akkorde nicht immer streng aufeinander beziehen müssen.
An Komplexität gewinnt dieser Bildaufbau zum einen noch dadurch, dass die scheinbar additive Schichtung der einzelnen Ebenen immer wieder teilweise rückgängig gemacht wird, Bildelemente mit Hilfe etwa einer getupften Schablone wieder ausgewaschen werden, so dass rätselhafte Gitterstrukturen entstehen, geisterhafte Transparenzen auftauchen oder aber im Gegenteil sich eine Farbschicht wie ein Schleier über das Bild legt, so dass die einzelnen Formelemente erst langsam vor dem Auge des Betrachters erscheinen, sich der zarte Nebel nur behutsam dem geduldigen Auge lichtet, wie - wenn der Vergleich statthaft ist - bei einem Bild von Monet.
Dann allerdings meinen wir, durchaus nicht nur Abstraktes zu erkennen.
Manches wirkt wie Mikroorganismen unter dem Mikroskop, ja zuweilen scheint sich tatsächlich sogar Figürliches in den Falten und Zwischenräumen der vielen Ebenen zu manifestieren.
Und wirklich dienen nicht nur zufällige Spuren von Pinsel oder Markern dem Künstler als Vorlage für seine Schablonen, sondern auch Fundstücke aus unterschiedlichen Medien, Bilder aus dem Familienalbum oder anderes von persönlicher Bedeutsamkeit, wie etwa Rosenblätter, die in sein variables Repertoire einfließen und sich als Silhouetten, Umrisse oder deren Auswaschungen wieder in den Bildern erahnen lassen.
Dadurch entsteht aus unterschiedlichen alltäglichen, kulturellen und medialen Herkünften, aus Zufall, Intuition und Intention eine beinahe archäologische Schichtung von hoher Dichte, und in diesen Schichten aus Farbpigment, Wachs und Harz ist, wie im warmen Leuchten eines Bernsteins, die ganze Kontingenz der Erscheinungen eingeschlossen.
„Keepsakes“, also persönliche Andenken, besondere Erinnerungen, nennt David John Flynn eine ältere Bilderserie. Erinnerungen aber sind flüchtig, vermischen sich in ihren zeitlichen Abfolgen und überschreiten auch die fließenden Grenzen zu Vorstellung und Traum.
Dies geschieht auch in den Bildern:
Indem der Künstler die Bildschichten teilweise wieder abträgt und mit weiteren, durchscheinenden Schichten übermalt, lässt er neue Formen erscheinen, Andeutungen auftauchen oder wieder versinken, wie in einem endlosen Palimpsest, in dem sich widersprüchliche Akte aus Erinnerung und Traum, Beobachtung und Aktion, bewusster Setzung und zufälligem Spiel überlagern, vereinen, verneinen und unterwandern.
Dabei werden immer wieder Leerstellen, Flächen und Räume freigelegt, wo wir uns in diese Bilder mit unseren eigenen Erinnerungen, Assoziationen und Vorstellungen hineinschreiben können - wenn wir bereit sind, ihnen mit offenem Blick, Geduld und erwartungsvoller Neugier zu begegnen.
In der Kontingenz und Komplexität dieser Bilder ist vieles enthalten.
Oder, wie Paul Eluard meint: „ Es gibt eine andere Welt, aber sie ist in dieser.“
Galerie Fenna Wehlau, Munich 2017
Stephanie Lyankine-Schönweitz M.A., 2015
fabric
Im Mittelpunkt der Ausstellung, die wir heute Abend gemeinsam hier im Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried eröffnen, stehen Gemälde und Papierarbeiten aus David John Flynns aktueller Serie fabric.
Es sind Arbeiten, die in den letzten beiden Jahren entstanden sind. Auf den ersten Blick bestechen sie vor allem durch ihre intensive Farbwirkung; sie erscheinen losgelöst von Formen, Motiven und Inhalt.
Doch ist das wirklich so? Spielt nicht der Künstler hier mit der Wahrnehmung des Betrachters?
Denn auf den zweiten Blick erkennen wir, dass sich gerade David John Flynns Werk eben in den Zwischenräumen der Malerei bewegt: zwischen Abstraktion und Figuration, zwischen klassischer Bildtradition und der Wiedergabe eines flüchtigen Moments - nicht zuletzt zwischen konstruierter und intuitiver Malweise.
In meiner Einführung zu dieser Ausstellung möchte ich mit Ihnen diesen zweiten Blick wagen.
Der englische Titel fabric verweist in seiner ursprünglichen Bedeutung auf das Textil als entscheidender Bildträger. Der Leinwandstoff ist die Konstruktionsfläche, von der alles ausgeht, auf welcher der Künstler seine Bildebenen in verschiedenen Schichten überlagert, abträgt, variiert und kombiniert.
Als Betrachter dringen wir in diese Farbschichten ein. Wir lassen uns von der Transparenz auf die tiefer liegenden Flächen führen, gehen so der Malerei auf den Grund - auf den Malgrund -, um die Bildräume zu erfassen, die David John Flynn konstruiert.
Neben dieser ersten Bedeutung steht fabric auch gleichzeitig für Fabrication, den handwerklichen Prozess, der sich dahinter verbirgt. Aufwendig geriebene und aufbereitete Pigmente bindet der Künstler mit Bienenwachs und dem Harz des südostasiatischen Dammarbaumes und verleiht den Bildern auf diese Weise ihre intensive Leuchtkraft.
Angelehnt ist dieses Verfahren an die traditionelle Wachsmalerei: die Enkaustik. Geschätzt für ihre Beständigkeit kam sie im 19.Jahrhundert unter anderem für große Wandmalereien zur Anwendung. So nutzte sie Ludwig Schnorr von Carolsfeld beispielsweise auch zur Ausmalung der Appartements im Königsbau der Münchner Residenz.
Historisch betrachtet älter als die Ölmalerei, erlebte die Enkaustik ihre Blüte in der Kunst der griechisch-römischen Antike. Die in Wachs gebundenen Farbpigmente wurden dabei heiß auf den Maluntergrund aufgetragen. In der Vorstellung der damaligen Künstler brannten sie auf diese Weise die eigenen materialisierten Gedanken und Erinnerungen mit Feuer unvergänglich in die Malfläche ein
.
Erinnerungen sind es auch, die uns in Davids John Flynn aktueller Serie fabric begegnen: flüchtige vergangene Momente, Gerüche, Gesehenes, Gefühltes, Gedanken.... Er hält sie fest im fast zufälligen Gestus. Er bannt sie, ohne dass sie ihre Leichtigkeit verlieren.
Doch was ist hier dem Zufall überlassen?
Auf den zweiten Blick werden Andeutungen, Silhouetten, Motive und Formen sichtbar, die der Künstler kombiniert, wiederholt und neu variiert.
Er schöpft sie aus einem über Jahrzehnte gewachsenen Fundus malerischer Elemente.
Greift dabei auf Schablonen zurück, die er aus vergrößerten Spuren von Pinselstrichen, Farbspritzern und –sprenkeln entwickelt. Auch florale Formen wie Rosenblüten oder figurative Konturen sind dabei. Es sind Zitate aus eigenen früheren Werken, aus der traditionellen Malerei und Kunstgeschichte. So gelingt es dem Künstler Erinnerung festzuhalten!
Auf diese Weise wird die Bildbetrachtung zum synästethischen Erlebnis, das alle Sinne anspricht. Im Verweilen vor den Arbeiten verknüpft der Betrachter das Geschaute mit der persönlichen Erinnerung. David John Flynns Werke berühren den Betrachter im tiefsten Inneren. Vom äußerlich Wahrnehmbaren führt der Weg zum inneren Inhalt über den „inneren Klang“ der Farben und Formen. Gerade im Hinblick auf David John Flynns bildnerisches Werk erscheint der Vergleich zur Musik, wie ihn bereits der große Theoretiker der abstrakten Malerei Wassily Kandinsky vor über 100 Jahren feststellte, mehr als gültig. Wie der Musiker lässt der Maler die Farben - und Formenklänge in der Komposition, in der Kombination und Variation aufeinander und so auf die Seele des Betrachters wirken.
Auf den zweiten Blick also wird fabric zur spannungsreichen Reflexion über die Möglichkeiten der Malerei, ihrer Historie und der ganz persönlichen Geschichte des Betrachters.Deshalb möchte ich Sie, liebe Gäste, heute Abend dazu einladen: Wagen Sie nicht nur einen zweiten, sondern auch einen dritten und vierten Blick auf die hier ausgestellten Arbeiten des Künstlers David John Flynn.
Max-Planck-Institute für Biochemie, Martinsried 2015
Dr. Anna Zika, 2009
Bilder aus Licht und Schönheit, Malereien von David John Flynn
Mein erster Zugang zur Geschichte und Theorie der Kunst war Mitte der 1980er Jahre das Funkkolleg Kunst. Die Besonderheit der Konzeption des Funkkollegs bestand darin, Kunst nicht nur im historischen Verlauf ihrer Stilperioden zu vermitteln, sondern nach Funktionen zu unterscheiden: dies waren im wesentlichen die abbildende Funktion, die religiöse Funktion, die politische Funktion und die ästhetische Funktion von Kunst. Die Änderung dieser Funktionen ist eng verknüpft mit einem Wandel im Selbstverständnis von Künstlern. Indem Künstler sich von ihren geistlichen oder weltlichen Auftraggebern emanzipierten, emanzipierte sich auch die Kunst selbst. Sie wurde frei, autonom, und löste sich schließlich – etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts sogar von ihrer elementaren Aufgabe, die sogenannte „Wirklichkeit“ wiederzugeben.
Zwischen 1900 und 1920 vollzogen sich Übergänge zur nicht-gegenständlichen Kunst, in der die Farbe zu eigenständigem Ausdruck gelangte und die Gestaltung der Maloberfläche – auch in ihrer Haptik und Struktur – an Bedeutung zunahm.
An den Anfängen einer solchen „abstrakten“ Material steht u.a. die Überzeugung Wassily Kandinskys, dass sich die Menschheit zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom Materialismus hin zum Reich des Geistigen orientiere. Er fand diese Vermutung bestätigt durch die Erkenntnisse der Atomphysik, dass Masse in Energie verwandelt werde. Tatsächlich sind die Erörterungen, etwa der Verhältnisse von Zeit, Raum und Materie zunächst ebenso unanschaulich wie für viele Menschen – selbst heute noch – abstrakte Kunst.
Kunstwerk und Sinnesorgane waren für Kandinsky nur äußerliche Mittel zur Übertragung innerer seelischer Schwingungen des Künstlers auf den Betrachter – und somit weitaus mehr als bloß sinnliche Empfindung gegenstandsloser Malerei als dekorative oder expressive Farbmuster.
Diese und ähnliche Anschauungen haben bis heute nichts von ihrer Gültigkeit und Bannkraft eingebüßt, wovon wir uns in dieser Ausstellung mit Werken von David John Flynn leicht einen Eindruck verschaffen können. Laut Kandinsky, und so erkenne ich das auch in den Malereien, die wir hier sehen, führt der Weg vom Äußerlichen der wahrnehmbaren Bildgestalt zu ihrem inneren Inhalt über den „inneren Klang“ der Farben und Formen. Vergleichbar dem Musiker will der Malerei die Farben – und Formenklänge in der Komposition seiner Bilder aufeinander und so auch auf das Gemüt des Betrachters wirken lassen.
Auf diese Weise sehe und verstehe ich auch die Bilder von David John Flynn. Und mit ihnen sehe und verstehe ich die ästhetische Funktion von Kunst, und mindestens auch die religiöse und die abbildende. Denn Flynns Bilder sind weder abstrakt – sehr konkret vielmehr bringen sie das zur Anschauung, woraus sie bestehen: aus Farben und Formen nämlich, und das absolut; noch sind sie gegenstandslos – denn sie haben einen Gegenstand: die Schönheit eben jener Farben und Formen, aus denen Flynn seine Bilder entstehen lässt. Dazu verwendet er Farbpigmente, die mit Bienenwachs gesättigt sind, so dass die Bilder wie von innen leuchten, ohne zu glänzen.
Einige der Bilder lassen die verschiedenen Farbschichten erkennen, aus denen sie bestehen. „Das Geschichtete“ und „Die Geschichte“ sind nicht von ungefähr sprachlich miteinander verwandt. Denn der Etymologie nach bedeutet Geschichte „Geschehenes“. Ablagerungen und Sedimente sind in der Natur wie in der Kultur und in der bildenden Kunst Ereignis- und Erinnerungsspuren als Hinweis auf vergangene Zeit. Archäologen wissen im Geschichteten wie in einem Buch zu lesen, um sodann Geschichte zu schreiben.
Grundlage der Bildwerke von David John Flynn sind Schablonen; Deren Grundformen erscheinen als vergrößerte Spuren von gestischen Farbaufträgen, Pinselstrichen, Farbspritzern und –sprenkeln aus früheren malerischen Arbeiten. Diese Motive werden – ähnlich wie in klassischen Musikkompositionen wiederholt und variiert. Sie bilden zwar einen festen Kanon, werden jedoch nach den Eigentümlichkeiten einer künstlerischen Kombinatorik ständig neu aufgemischt.
Flynn zitiert und monumentalisiert also eigene Malbewegungen, um aus diesem Fundus an schablonierten Einzelmodulen eine Art Grammatik oder Semiotik zu entwickeln. Dabei scheinen sich die je eigenen Schönheiten der einzelnen Formen und Farben in der Kombination geradezu zu addieren. Indem sie die handwerklichen Grundzüge und –Materialbedingungen des Malens thematisieren, wirken sie wie angewandtes Meditieren über die Möglichkeiten der Malerei.
Hinsichtlich seiner systematischen Herangehensweise stimmt Flynn u.a. mit Paul Klee überein, der während seiner Tätigkeit am Bauhaus eine „Bildnerische Formlehre“ ausarbeitete, die sowohl auf einem intuitiv künstlerischen Gespür als auch auf einer wissenschaftlichen Systematik beruhte. Klee hatte versucht seinen Studierenden in Form ein metaphorisch formuliertes Programms zu vermitteln: „Der erste Teil meiner Aufgabe ist es nun: eine Art von ideellem Malkasten vor Ihnen aufzubauen, in dem die Farben eine wohlbegründete Ordnung erfahren, eine Art von Werkzeug-Schrank, wenn Sie wollen“. Gleichwohl relativierte Klee die Bedeutung der Wissenschaft zugunsten der Intuition; eine ganz ähnliche Gegensätzlichkeit in der Arbeitsweise und auch in der Auffassung seiner Arbeitsweise finde ich bei David John John Flynn: Obwohl er mit einem gefügten Vorrat an Schablonen, einem – wie er es nennt – „Katalog“ arbeitet, folgen die Bilder keinem festen Entwurf, sondern entwickeln sich prozeßhaft.
Im geistigen Nachvollzug dieses Prozesses macht der Künstler den Betrachter zu seinem Partner. Dieses Einlassen ist ein wesentlicher Bestandteil der Kommunikation zwischen dem Bildwerk und seinem Publikum. Dessen Vermögen im Bereich des Farbsehens, des Raumempfindens, des Zeiterlebens oder der Materialsensibilität ist besonders gefragt.
Ohne sich explizit auf die Lehre des Bauhauses zu beziehen, finden sich Spuren von dessen Geltungsanspruch, der gleichermaßen enzyklopädisch wie metaphysisch war, in den Werken des Malers. In einem früheren Interview sprach Flynn von einer Befreiung aus der rigiden Lehre der reinen Abstraktion, von einer Versöhnung der informellen, der expressionistischen und der figurativen Malerei.
Ebenso bringt er scheinbar Zufälliges und Absichtsvolles, Normiertes und Willkürliches zusammen – konsequent inkonsequent, wie er einmal selbst sagte.
So geht – unübersehbar – das vermeintlich Spielerische, das Intuitiv-Gestische eine Verbindung ein mit dem planvollen, streng formalen Prozeß. Dabei entstehen schließlich Eigengesetzlichkeiten einer Malerei, die wir als genau jenen quasigöttlichen Schöpfungsakt erkennen können, als den Künstler seit einigen Jahrhunderten ihre Arbeit ausweisen.
Denn die Frage nach der Bedeutung des eigenen Einfalls und der Urheberschaft markierte um 1400 die Wende der Kunst von der handwerklichen Auftragsarbeit zum freien schöpferischen Tun.
Noch eine weitere kunsthistorisch prominente Fragestellung werfen die Bilder von David John Flynn auf; seit der Renaissance wurden an den Akademien Debatten darüber geführt, welche der Künste den anderen überlegen sei. In diesem Rangstreit (auch Paragone genannt) trug meist die Malerei den Sieg davon; man rühmte ihre illusionistischen Fähigkeiten, ihren intellektuellen Erfindungsreichtum und die Möglichkeiten der Nachahmung der Natur mit perspektivischen und koloristischen Mitteln. Kritiker warfen ihr hingegen Scheinhaftigkeit vor, während sie in Werken der Bildhauerei das wahre Sein ausmachten.
Flynns Bilder lösen diesen Wettstreit gleichsam auf, indem sie zugleich Gemälde und Objekt sind. Zunächst erzeugt jedes Bild einen je eigenen, vor allem durch die Farbe bestimmten, virtuellen Tiefenraum. Im Zusammenspiel von mehreren Bildern werden Aspekte von Rauminstallationen offenbar; die spezifische Hängung unter Berücksichtigung der architektonischen Besonderheiten des Projektraums erzeugt nun Räume im Raum und Raum als Raum.
Der Projektraum wird dabei gleichsam verwandelt in einen Raum aus Farbe und Schönheit – sehr verwandt der gotischen Kathedrale. In der gotischen Architektur war es erstmalig gelungen, die Wände des Baukörpers fast vollständig aufzulösen zugunsten von Glasbildern aus Licht und Farbe. Diese Glasbilder basierten auf den spirituellen Überlegungen von Schriftgelehrten.
Hugo von St. Viktor etwa, ein Theologe des 12. Jahrhunderts, sinnierte über die Bedeutung der Farben und ihre Wirkung auf das Gemüt: „Das Auge sieht selbst, wie sehr sich der Liebreiz der Natur erhöht, wenn sie im Schmuck verschiedenartiger Farben prangt. Was ist schöner als das Licht, das obwohl selbst farblos, beim Erleuchten die Farben aller Dinge hervortreten lässt?... Wir sehen rote Rosen, weiße Lilien, purpurne Veilchen, deren Schönheit nicht allein wunderbar ist, sondern auch ihr Ursprung. Wie ergreift schließlich das Grün, das am allerschönsten ist, die Seelen der Betrachter, wenn im Frühling die Sprosse zu neuem Leben erwachen und … gleichsam als Sinnbild der künftigen Auferstehung ans Licht hervorbrechen…“
Abschließend zitiere ich noch Wilhelm von Auvergne, einen Autor des frühen 13. Jahrhunderte, denn seine Aussagen lassen sich besonders gut auf die Arbeitsweise des bildenden Künstlers übertragen. Sie klingen fast wie eine Beschreibung der Bilder von David John Flynn, deren Ausstellung wir heute eröffnen: „Obwohl die sichtbare Schönheit das Auge ergötzt und durch das Auge den Betrachter, bewirkt sie das nicht aus sich selbst, sondern durch etwas anderes, das – wie angenommen wird – entweder der Schönheit beigegeben ist oder ihr innewohnt. … Denn die Weisheit, die dem Schöpfer eigen ist und mit der der Schöpfer wen er will beschenkt, ist Schönheit oder das Schönste. Die Erkenntniskraft erforscht oder erstrebt jedoch diese Schönheit nicht aus sich selbst heraus, sondern als Vollkommenheit ihrer selbst, als ein Licht ihrer Augen.“
9. Projekt, projektraum-bahnhof25, Kleve, Germany
Dr. Bärbel Kopplin, 2008
schichten
Ich kenne David Flynn nun schon seit vielen Jahren. Wir sind uns zum ersten Mal in seinem Atelier in der Münchner Dreimühlenstrasse begegnet, als ich anfing, mich für sein Werk zu interessieren. Es waren damals Vor allem seine Bilder, die sich wie im Baukastensystem zusammensetzen und nach Belieben, Laune, Geschmack und räumlicher Situation immer wieder umgruppieren ließen, die mich nachhaltig faszinierten.
Nicht nur der Künstler war kreativ, sondern er ließ auch mich - den Betrachter und Genießer seines Werks - mitmachen. Ich durfte zusammenstellen, was mir gefiel, variieren — freilich in Gruppen, die er mir vorschrieb -, anbauen und umbauen. Ich fühlte mich involviert in seinen Arbeitsprozess und es war ein Leichtes, mit ihm über das Wieso und Warum der verschiedenen Möglichkeiten zu sprechen. Mir gefiel die Kunst zum „Anbauen", die wie ein Dominospiel funktionierte und ich fand diesen spielerischen Umgang mit der Kunst damals typisch für einen Amerikaner.
Ein Amerikaner freilich, der nun - mit seinen 56 Jahren - genau zu gleichen Teilen sein Leben in den USA und in Deutschland verbracht hat. Bereits ganz früh hat sich Flynn mit der europäischen Kunstszene auseinandergesetzt. Seine Entscheidung allerdings nach Deutschland zu kommen und sich in München niederzulassen, hat der ruhelose und im eigentlichen Sinne sich selbst als „heimatlos" bezeichnende Künstler eher per Zufall getroffen. „Munich was just a city to visit in 1979" sagte er selbst und lässt dabei wissen, das er bei seinen Stops in Edinburgh, London und Paris eigentlich keine perfekte „Location" gefunden hat. Was für ihn wichtig war, ist sein Atelier, Ein Werkraum, der nicht von der Welt isoliert, aber der auch so unabhängig sein soll, dass er dort in Ruhe seinen Erfahrungen nachgehen und künstlerische Möglichkeiten ausloten kann.
Wenn man einmal das Atelier Flynns besucht hat, kann man sich besser vorstellen, warum sein „Studio" seine eigentliche „Heimat" als Maler ist und essentiell beteiligt ist bei der Neuschöpfung seiner Arbeiten. Hier hängen nicht nur seine Werke — Alte neben Neuen nebeneinander, sondern sie kommunizieren und stehen in Beziehung zueinander. Eines entwickelt sich aus dem Anderen, hebt sich ab oder ergänzt etwas bereits Bestehendes.
Aber selbst für mich als Besucher von Flynns Ateliers, als jemand, der seine Arbeit zu kennen glaubt, birgt diese Ausstellung hier in Penzberg viele Überraschungen. Eine „Mini-Retrospektive" sei es - so hast du. David, es mir im typischen Understatement - am Telefon erklärt, als wir zum ersten Mal über dein Projekt hier sprachen. Und in der Tat sehe ich hier Bilder, die ich noch nie zuvor von Flynn gesehen habe und auch nicht mit seinen Arbeiten aus den letzten 18 Jahren in Verbindung gebracht hätte.
Zum Beispiel die winzig kleinen abstrakten Arbeiten, die in den ersten Münchner Jahren entstanden, als auch der Arbeits- und Wohnraum sehr limitiert war. Es waren die Jahre zwischen 1980 und 1983, wo der Sprung von Amerika nach Deutschland für den Künstler zum Anlass wurde, über sich und die Malerei in einer gewissen „räumlichen Isolation" nachzudenken und nach seinen ureigenen Themen zu suchen.
Von diesen abstrakten Bildern scheinbar weit entfernt, formiert sich eine zweite Werkgruppe von ca. 1983 bis 1986, der „Ex-Pat paintings" — von Flynn so genannt nach den „ex-patriot writers" wie Hemingway und Miller mit ihren patriotischen Erzählungen. An diesen faszinierte Flynn die Kombination aus Emotion und höchst individuellem Sprachstil, gegossen in die strenge Aufbauform einer Novelle. Diese Spannung versuchte er in seine Bilder zu übertragen. Eine Serie kleinformatiger Werke entstand, die zunächst ein realistisches Sujet haben: Menschen in spezifischen Situation, realistisch präsentiert. Und doch gebrochen durch die Sicht des Fotos, nach dem sie entstanden sind. Damit nicht genug ging es Flynn aber — immer wieder oder immer noch — um formale Probleme:
Formen und Strukturen der abstrakten Malerei bieten eine andere „Lesart" dieser Bilder, die Flynn schließlich wieder mehr zur Auseinandersetzung mit der Farbe bringen — nicht zuletzt beeinflusst durch die Werke Gabriele Münters und Vasily Kandinskys, die hier in der Landschaft um Murnau überall präsent sind.
So wundert es nicht, dass nach diesem „Ausflug" in den Realismus, wieder eine Rückkehr zur Abstraktion folgte. In den nächsten fünf Jahren, bis 1991, entstanden die „Letters Home paintings". Im persönlichen Entwicklungsweg des Künstlers scheint es für mich nur ein Wechsel der Parameter. Das abstrakte Bild ist nun die obere „Schicht", drunter liegen Landschafts- und Menschenbilder, die persönlichen Erlebnisse -„Letters Home" - nur verdeckt von der informellen Bildsprache darüber.
Und wieder gibt es Veränderungen; 1991 datieren die ersten „Boxes". Die zunächst kleinen, dann immer größer werdenden Holzkästen, mit der typischen Wachsoberfläche. Diese Bildobjekte sind es, über die ich schon eingangs gesprochen haben und die mir so charakteristisch für Flynn erscheinen. Als Bildträger wählt er nicht Leinwand oder Papier, sondern Holz. Die Oberfläche beschichtet er mittels Schablonen mit einer Wachs-Pigment-Mischung. Trotz kräftiger Farbigkeit und abstrakt anmutender Bildfläche bleiben die Strukturen so stets sichtbar. Das gemalte Bild erhält greifbare Tiefe. Farbe, Struktur, Oberfläche - das sind die Konstanten im Werk von Flynn, auch wenn in seinen jüngsten Bildern die Träger wechseln und Nessel und Aluminium hinzukommen.
„Schichten" - der Titel der Ausstellung - bringt es auf den Punkt. Man muss sie immer wieder abtragen, ausloten - die verschiedenen Schichten von Flynns Bildern. Man muss in die Farbschichten eindringen, sich von der Transparenz des Wachses auf die tiefer liegenden Flächen lotsen lassen, um für die spezifischen Qualitäten seiner Werke einen Blick zu gewinnen. Wenn man sich diese Zeit als Betrachter lässt, erschließt sich einem die Bildwelten des Künstlers erst richtig.
Hier in Penzberg hat man eine gute Gelegenheit zu diesem Rundum-Blick und dem Blick in die Tiefe der Werke von David John Flynn, Es ist ein intimer Rahmen, in einem Haus, das bereits sein 10 jähriges Jubiläum feiern kann und mit dieser Ausstellung einmal mehr beweist, wie lebendig und offen es ist.
„ Ein Museum soll nicht besucht, sondern benutzt werden, denn es gehört allen und keinem." - Das hat der überaus aktive Museumsmann und Kenner der Kunstszene Kasper König einmal ganz richtig gesagt. Ein Museum soll benutzt werden und Sie — liebe Besucher - sind die Nutzer im doppelten Sinne. Sie können den Nutzen aus diesem wunderbaren Ausstellungsangebot ziehen und heute Abend die Gelegenheit wahrnehmen, Kunst und Künstler kennen zu lernen. Nutzen diese Chance! Und viel Vergnügen dabei.
Stadtmuseum Penzberg, Penzberg, Germany
Sabine Krebber, 2006
keepsake
Herbst im Englischen Garten 2005. Es war einfach ein wunderbarer Herbst. Warm und leicht und trocken. Und selbst im Norden roch es wie im Süden, und selbst in München, wo David John Flynn seit mehr als 20 Jahren lebt, roch es nach Mittelmeer
Wenn Sie diesen Katalog von David John Flynn in Händen halten und vor seinen Arbeiten ausruhen (denn das ist möglich!) und in Gedanken versinken (ein schönes deutsches Sprichwort!), dann ist auch dieser Herbst schon lange wieder Vergangenheit und doch nicht: Was bleibt von einem Herbst anno 1952 oder 1979 oder 1992 oder 2002 oder 2005? Es sind Erinnerungen. Vielleicht an Gerüche und Wärme, an gefühlte Trockenheit, an mediterrane Töne in der Luft, die sogar Farben mit sich tragen, an Gefühle von Liebe, Traurigkeit, Sehnsucht.
Was uns als Menschen bleibt von Erlebnissen sind Erinnerungen, deren Versprachlichung nennen wir in unserem Sprachraum Gedanken. Gedanken können zu Worten, Sätzen, Romanen oder Gedichten werden. Nonverbal sind sie in der Bildenden Kunst, in der Musik oder in Parfums zu finden. Es geht darum, Erlebnisse zu spüren, zu riechen, zu hören. Gedanken kreisen um Orte, Begebenheiten oder Menschen, Gedanken kreisen um Objekte, die an Menschen oder Begebenheiten erinnern.
In „Gedanken“ verbergen sich einzelne Buchstaben, die in Variation ein anderes deutsches Wort bilden: „Andenken“. Andenken sind sozusagen objektive, dinghafte Stützen für das Gedächtnis, um konkrete Erinnerungen heraufbeschwören zu können. David John Flynn hat seine Ausstellung in der Stuttgarter Galerie Angelika Harthan wissentlich raffiniert „Keepsakes“ betitelt. Seine Bildwelten sind „Keepsakes“ und sie bestehen wiederum aus „Keepsakes“, aus „Andenken“.
David John Flynn beteiligt sich nicht an der längst überholten Diskussion, ob die Malerei parallel zu den Neuen Medien Bestand hat. Denn Malerei hat solange Bestand, als sie die Kriterien für Malerei einlöst. Und eines der Kriterien ist zum Beispiel: konsequente ästhetische Lösungen mittels Malerei suchen, die zugleich Spannungsfelder aufbauen und dem Betrachter Zugänge in die Flynn´sche Welt ermöglichen – nicht zuletzt auch zur eigenen Wahrnehmungs- und Erinnerungs-Welt.
Wiederkehrende Motive sind für Flynn das formale Ausgangspotential für seine spannungsgeladenen Räume – gebaut aus tatsächlich geschauter und rein erfühlter Wirklichkeit. Nessel oder Aluminium sind Bildträger für handwerklich perfekt geriebene, und dann in Schichten aufgetragene Pigmente, die Flynn aufwendig mit Wachs und Dammarharz bindet. Aus wiederkehrenden Ornamentierungen und Einzel-Formen entsteht in nachdenklichen, langsamen Schritten ein in Größe, Farbigkeit und Dynamik variierendes Gerüst für Erinnerungen. Immer entstehen in den neuesten Arbeiten Partien - bestehend aus zellulären „Andenken“ - die aus sich heraus das Driften in die Vergangenheit gewährleisten (können). Allein das Ausgangsmaterial in seiner Vielfalt und seiner durch die Technik des Verreibens aufgetragenen Vielschichtigkeit steht im übertragenen Sinne für die eigentliche „Unvereinbarkeit“ des erinnernden Bewusstseins.
„Keepsakes“ überlagern zwar eine Leinwand und versuchen das Unmögliche: nämlich eine Konzeption zu erstellen, eine Konstruktion sichtbar zu machen. Letztendlich bleiben diese „Andenken“ jedoch Solitäre, Inseln - auch wenn sie scheinbar farblich kongruent sind - oder die farbigen Einzelfäden sich im Hintergrund in so etwas wie Monochromie auflösen. „Keepsakes“ bleiben vereinzelte Spuren, die allerdings der Wirklichkeit eine neue Dynamik schenken können.
Wer kennt das nicht, dass sich Zeiten und Räume in der eigenen Erinnerung weiten oder überlagern. Im Halbschlaf ist das vielleicht die schönste Art, Wirklichkeit neu zu sortieren. Bei Tag können einige dieser „Andenken“ ein Umdenken bewirken. Im übertragenen Sinne fungieren alle Bildmaterialien auf ihren unterschiedlichen Bildebenen als selbständige Zeichen, als „Keepsakes“ in unkalkulierbarer Menge.
Die Bildwelten Flynns sind erinnertes und präsentes Wahrnehmungs-Potential, das sich – sobald ein erneuter Blick darauf fällt –unsichtbar weiterentwickelt. Wenn dies sogar noch von außen geschieht – also durch Betrachter, die nicht wie Flynn genau wissen, warum die Fäden dort auftauchen und die Steine genau so platziert sind, wie sie eben platziert sind, dann werden aus den Bildwelten mitunter abenteuerliche Tiefenräume.
Mit dem Titel „Keepsakes“ – „Andenken“ markiert David John Flynn, wie wichtig es für ihn ist, den Faktor Zeit als „fließende Zeit“ in seinem bisherigen Œuvre zu verankern. Ein unausweichliches Phänomen ist dadurch zu beobachten: Flynn gelingt es, zu animieren. Betrachter werden zweifach involviert und damit animiert: einmal als neugierige Zeugen für unbekannte, nur für Flynn entschlüsselbare „Keepsakes“ – doch da diese „Andenken“ variierend sich wiederholen, können Betrachter auch zu „Keepsakes“-Eyperten werden. Voraussetzung ist Konzentration und die eigene Fähigkeit, vergleichendes Sehen einzuüben.
Flynn erarbeitet auf wechselnden Bildmaßen seine Zeit-Räume. In ihnen mischt sich Erinnertes und sich gerade Ereignendes, anders gesagt: Flynn erarbeitet Bühnen für im Moment des Betrachtens sich zusammensetzende Farbräume und vermischt sie mit erlebten, gesehenen, gehörten, erfühlten Räumen aus der Erinnerung. Kleine „Andenken“ - wie Steine oder Papschachteln - werden in Räume eingeflochten oder eingerieben und lösen so das gegebene Gesetz der Schwerkraft auf. „Keepsakes“, fadenartige Strukturen, die an dürres vertrocknetes Seegras erinnern, lagern sich auf farblich an Tiefseegräben erinnernde Bildebenen. Vielleicht sind es aber auch Haare... Expression bedeutet für Flynn, Querbezüge zwischen diesen Räumen aufzubauen, (auch in der Erinnerung) zu schwelgen, Wirklichkeit und Erinnerung an die Wirklichkeit mittels „Keepsakes“ anzudeuten. Das sind „nur“ zwei Spannungsfelder, zwischen denen sich ein konsequent agierender Künstler befinden kann, aber zwei Spannungsfelder, die es in sich haben.
David John Flynn geht es um Wahrnehmung von Welt, von Wirklichkeit, von Imaginärem und um die Beobachtung von sich selbst. Flynn, der 1952 geboren wurde, wird mit einer Generation erwachsen, die über das Anders-Sehen der Welt den Betrachtern neues Sehen beibringt. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts regierten ungekrönt und parallel die Künstler des Abstrakten Expressionismus, des Informel, der École de Paris und am Ende die Pop Art. In einer Zeit der (zumindest teilweise) künstlerischen Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs, kommt vor allem dem Philosophen Edmund Husserl das Verdienst zu, eingehende Analysen zum Thema der Wahrnehmung betrieben zu haben. Minutiös verlangte Husserl auch von seinen Studenten den Akt der Wahrnehmung an sich selbst zu beschreiben.
Aus einer unübersehbaren Vielfalt optischer Angebote auf unserem Planeten versteht es David John Flynn für sich selbst ein System zu entwickeln, das abstrakte Begriffe wie „Wahrnehmung“, „Erinnerung“, „Jetzt“ und „Andenken“ in einzelne Formen und in ihre unendlich möglichen Varianten „gießt“. Seine Materialien, die er hierfür benützt, sind hart und zugleich weich, sind kalt und müssen zugleich erwärmt werden. Der optische Aufschmelzungsprozeß, der beim Betrachten ausgelöst wird und Betrachteraugen unter die zahlreichen Bild-Oberflächen mitnimmt, hat allein durch die Wahl der Materialien eine erstaunliche Konsequenz. Handwerkliche Strenge waltet auch – bei aller Weichheit der Formen – in den Schichtungen von Flynns Bildräumen. Immer wieder weicht der Blick zurück, korrigiert Flynn seine ersten Seheindrücke, versieht seine Bildräume mit parallelen Wahrnehmungen aus unterschiedlichen Zeiten.
Das führt zu einem unerschöpflichen Formenkanon – auch hinsichtlich von Formen, die Verformungen hinnehmen müssen, und führt auf dem direkten Wege zur Kontemplation. Voraussetzung ist – wie bereits gesagt – die Konzentrationsfähigkeit des Betrachters, die über das gewohnt schnelle Sehverhalten hinausgehen muss.
„Keepsake“ ist Angebot, Angebot Flynns über (eigene) Visionen nachzudenken, die Sehschärfe zu schulen. Uns gehen ganz schleichend Assoziationskräfte zwischen verschiedenen Wirklichkeitsebenen verloren, da die Fähigkeit zur Assoziation auf einer soliden Ausbildung der Sinne und des Verstandes beruht und durch die Liebe zur Schönheit dann Leidenschaft hervorruft. Das befähigt normalerweise einen Betrachter, der sich Zeit nimmt, Erfahrungen in fremden Bildräumen zu sammeln.
Dies wieder zu erwecken, dem Jetzt und dem vergangenen Jetzt einen Platz einzuräumen, ohne dabei aus den Augen zu verlieren, dass alles, was in diesem Moment passiert, ohnehin gleich vergangen sein wird ... dies erreicht David John Flynn.
Bildnerische Paraphrasen über die Wahrnehmung tagtäglich zu praktizieren, kann nur die Wahrnehmungskraft steigern.
Galerie Harthan, Stuttgart, Germany
Sabine Krebber, 2006
keepsake | wahrnehmung
In meinen Augen ist David John Flynn Meister der Paraphrase. Und zwar der Paraphrase über einige wichtige Kapitel aus der Wahrnehmungstheorie Edmund Husserls.
Vorausschicken möchte ich zwei Dinge. Es liegt nahe, dass ein Meister der Erinnerung – wie es David John Flynn ist - sich intensiv und tagtäglich mit Wahrnehmungsverhalten auseinandersetzt. Und es muss für alle weiteren Ausführungen eines klar sein: dass der Begriff der Paraphrase ein von seiner Genese her rein positiver Begriff ist, denn er bedeutet im Griechischen und Lateinischen: „Hinzusagung, verdeutlichende Umschreibung eines Textes mit anderen Worten“.
David John Flynn paraphrasiert malerisch „Die Erinnerung als Bewußtsein von Wahrgenommen-geesen-sein" ( Edmund Husserl*). „Die Erinnerung impliziert also wirklich eine Reproduktion der früheren Wahrnehmung; aber die Erinnerung ist nicht im eigentlichen Sinne eine Vorstellung vom ihr: die wahrnehmung ist nicht in der Erinnerung gemeint und gesetzt,sondern gemeint und gesetzt ist ihr Gegenstand und sein Jetzt, das zudem in Beziehung gesetzt ist zum aktuellen Jetzt…"
Flynn paraphrasiert in ,Wedding Dresses under the Bed' das In-Beziehung-Setzen der Gegenstände in der Erinnerung: EIne Wohnungoder ein Haus, das jahrelang zum Ort des Rückzugs, zur Sammelstelle von Stücken aus der Vergangenheit seiner Bewohner, zum Platz für Träume und realitäten wird. gibt nur sehr sehr langsam seine Stücke wieder frei. Als FLynn nach dem TOde seiner Mutter sich ihrem Leben über keepsakes —in diesem fall ihren Andenken — nähert, fand er unter ihrem Bett papierne Schachteln. Sie verbargen — in Seidenpapier gehüllt — Brautkleider aus drei Frauengenerationen. Nun befinden sich diese Brautkleider im Museum, aber Flynn hat dem Akt des Findens und Erstaunens sein eigenes keepsake gesetzt. An Stränden weicht der Blick mitunter nicht vom Boden. Steine, Muscheln sind Erinnerungsstücke — wie Pappschachteln oder Hüte, von denen man sich schwer trennen mag, wenn sie uns an etwas erinnerung, das einmal lebendige Beziehung und das einmal lebendige Beziehung und dann Sekunden später bereits Geschichte war. Flynn setzt die Genese der Fundstücke in ein ganz persönliches, aktuelles Jetzt und verbindet Erinnerungen an Familienangehörige mit eigenen gegenstädlichen Assoziationen-
David John Flynn paraphrasiert malerisch „Erinnerung und Bildbewusstsein“
Edmund Husserl: „... Die gegenwärtige Erinnerung ist ein ganz analoges Phänomen wie die Wahrnehmung, sie hat mit der entsprechenden Wahrnehmung gemein die Erscheinung eines Gegenstandes, nur hat die Erscheinung einen modifizierten Charakter, vermöge dessen der Gegenstand nicht als gegenwärtig dasteht, sondern als gegenwärtig gewesen.“
Flynn paraphrasiert in Bild , Aunt Sophie's Garden' den Begriff des gegenwärtig Gewesenen. Lilienblätter werden, nachdem der Duft der Blüten verflogen ist, langsam bleich, sie wechseln vom Grün in beige und beinahe weiss oder durchsichtig, sie werden kraftlos und schlängeln sich hilfesuchend am Boden. Nicht zurück kommt das Grün des Frühlings und des Hochsommers. Sie verblassen, so wie Leuchtreklamen verblassen und zu Streifen werden, wenn man diese im
Rückspiegel sieht... oder das wunderbare Rot von Paeonia Rosena Plena verblaßt und auf der Erde nur noch die Blütenblätter der Pfingstrosen das erdige Braun rötlicher färben.
Flynns Arbeiten sind fähig, Edmund Husserls wichtige Beiträge zur Wahrnehmungstheorie bildlich zu veranschaulichen.
„Das innere Zeitbewusstsein“ Edmund Husserl: „Die Zeit innerhalb des Wahrnehmungsaktes ist keine ... objektiv bestimmbare Zeit.. die Wahrnehmung dauert ihre Zeit, sie fängt an, dauert und verschwindet wieder, wie wenn ich zum Beispiel meinen Blick wegwende. Dahin ist dahin. Kehrt der Blick in die alte Lage zurück, so ist es eben eine neue Wahrnehmung... So können in späteren Momenten des Bewusstseinsstromes Wiedererinnerungen auftauchen, die sich auf die früher gehabte Wahrnehmung, auf das früher vollzogene Urteils- Gefühls-, Willensbewusstsein zurückbeziehen...Aber alle Erlebnisse fließen dahin, Bewusstsein ist ein ewiger heraklischer Fluß, was eben gegeben ist, sinkt in den Abgrund“
Flynn paraphrasiert in Bild 030133 das Fließen jeglicher Bewegung, das Abdriften vormals klar sichtbarer Strukturen in Abtönungen. Vormals gelbe trockene Fadenstrukturen werden zu drei Halteringen für drei Öffnungen und haben ihre Farbe zugunsten einer neuen Form gewechselt: sie sind blau-violett und suggerieren kalte, sauerstoffarme Nässe.
David John Flynn paraphrasiert malerisch „Die Erinnerung als Bewusstsein vom Wahrgenommen-gewesen-sein“
Edmund Husserl:„Die Erinnerung impliziert also wirklich eine Reproduktion der früheren Wahrnehmung; aber die Erinnerung ist nicht im eigentlichen Sinne eine Vorstellung von ihr: die Wahrnehmung ist nicht in der Erinnerung gemeint und gesetzt, sondern gemeint und gesetzt ist ihr Gegenstand und sein Jetzt, das zudem in Beziehung gesetzt ist zum aktuellen Jetzt...“
Flynn paraphrasiert im Bild 040311 das in-Beziehung-setzen der Gegenstände in der Erinnerung. An Stränden weicht der Blick mitunter nicht vom Boden. Steine sind Erinnerungsstücke. Sie finden dann zuerst ihren Platz im Anorak, dann im Rucksack oder Kofferraum und dann fristen sie ihr Dasein auf Fensterbänken – bis jemand kommt, und sie neu ansieht. Genau unter einem Magenta – vielleicht aus Frottée – lagen diese Steine. Sie zeigen ihre Verwerfungen aus uralten Zeiten. Zwischen anthrazitfarbener Glätte erheben sich weiße Adern, und durchziehen wie Fäden eine monochrome steinerne Fläche. Äderungen legen Zeugnis ab von Druck, von Verschiebungen, die einst auf unserem Planeten abertausende von Gesteinen prägten. Das in-Beziehung-setzen macht aus den weissen Adern magentafarbene Spuren. Auf der Fensterbank liegt ein Zeitfragment. In 040311 wird das Fragment zu neuem Leben erweckt – durch Schichtungen werden Schichten – auch die der Zeit – freigelegt.
Galerie Harthan, Stuttgart, Germany
Dr. Barbara Rollmann-Borretty, 2004
Die Malerei ist tot. Es lebe die Malerei.
Als die Welle der neuen Medien und Installationen die Kunstlandschaft eroberte, schien es fast, als würde die Tafelmalerei eine aussterbende Spezies werden. Seit den großen Bewegungen der Achtziger wie die Jungen Wilden oder die Trans-avantguardia hatte es in Europa keine neuen nachhaltigen Initiativen oder Stile der Malerei gegeben. Das, was unsere Museen ziert, sind Werke grosser Einzelgänger, Doch schon seit einigen Jahren finden sich genau solche Einzelgänger auch in der mittleren und Jüngsten Generation: Es gibt wieder einen Nachwuchs an Malern.
Die alte Kunstform der Malerei gestattet sich den Luxus, sich wieder ganz mit sich selbst zu beschäftigen. Sie reflektiert den ihr zugehörigen Kosmos, der aus Farben und Licht, Linien und Flächen und aus Materialien, also aus den Faktoren, die ein Bild ausmachen, besteht. Die Frage, ob gegenständlich oder ungegenständlich, tritt in den Hintergrund - oft ist sogar eine Mischung aus beidem zu sehen Die Verdichtung all dessen ist es, was die Jeweilige Bildqualität und -emotion ausmacht, und sie ist bei jedem Künstler anders angelegt. Diese Entwicklung heute zu beobachten und zu verfolgen, erscheint als ein wichtiger Sammlungsschwerpunkt.
David John Flynn geht es um das Ausloten der Möglichkeiten von Malerei, und zwar im vollem Bewußtsein der verschiedenen Schönheitsbegriffe seit der Moderne. Das Neben- und Miteinander des Konstruktiven und des Lyrischen, die Gleichzeitigkeit des Andersartigen ist für ihn ein Grundprinzip. Die Motive der Bilder werden durch Schablonen aus einem großen selbstgeschnittenen Fundus aufgetragen: Fragmente des Gegenständlichen ergänzen sich mit geometrischen Motiven und Streifenmustern. Buchstaben stehen neben einer breiten Auswahl an biomorphen Motiven, auch die gestische Malweise wird zitiert. So entstehen in satten Farben Bilder über die Welt der Bilder. Flynn arbeitet in Serien, deren Teile gleich Modulen eine formale Beziehung zueinander haben. Sie können beliebig kombiniert und montiert werden - sogar das Oben und Unten einer Arbeit ist eine Sache der Wahl. Miteinander ergeben sie einen großen Bildteppich, so auch bei der Installation für das EPA: Das Wandstück über einem verglasten Durchgang zwischen The Hinge und einem der älteren Gebäude bedeckt ein Siebenteiliger Bilderfries.
Art at the Hinge, European Patent Office, Den Haag the Netherlands
Dr. RIchard Geier, 2002
Wechsel zwischen plastischer Abstraktion und malerischer Figuration
Das Seelenbild eines Menschen aus der Barockzeit zeigt außerste Zerissenheit. Er fühitsich eingespannt zwischen extremen Erfahrungen: Grausamkeit und Schönheit, Sinnlichkeit und Verganglichkeit, Tod und Leben, Himmel und Erde. Die Schrecklichkeit des dreißigjährigen Krieges und der späteren Erbfolgekriege und eine ungeheuere Lust am Leben kommen zusammen. Orte der Versohnung findet der barocke Mensch in der Religion und - in der Kunst. Die herrlichen Barockkirchenn in Bayern geben Zeugnis von einer einzigartigen Symbiose von Kunst und Religion, wie wir sie in späteren Zeiten nicht mehr wahrnehmen können. Dabei dient das eine nicht dem anderen. Die Kunst in jener Zeit nicht mehr "Magd der Religion". Beide wirken zusammen und in dem, was sie schaffen, ist der ganze Mensch spiürbar, in seiner Zerrissenheit und Lebenslust.
Das 1146 gegrundete Zisterzienserkloster Aldersabach wird in der Barockzeit vonKünstlern und Monchen zu einem "Himmel auf Erden" ausgestaltet, zu einem Ort der Sehnsucht und Erfüllung zugleich. Das Werk der Gebrüder Asam und ihrer Zeitgenossen zieht heute noch die Menschenmassen in ihren Bann. Die fast zweihundert Jahre seit der Säkularisation des Klosters haben der Ausstrahlung und Magie dieses Ortes nichts genommen. Die Themen der Menschen sind im Wesentlichen gleichgeblieben. Wer heute zur Barockkunst pilgert, spürt die Zerissenheit und Schönheit des Lebens nicht wesentlich anders als der barocke Mensch. So ist Kloster Aldersbach der bevorzugte Ort von Begegnung. Der Mensch von heute begegnet sich selbst indem er in den Dialog mit seinen barocken Vorfahren tritt. Durch die Ausstellung von David Flynn im Bibliothekssaal des Klosters begenet der spätbarocke Freskant Mätthaus Günther einem modernen amerikanischen Künstler, der sich als ausgesprochener Versöhner versteht. Sein Konzept einer Verbindung zwischen "klassisch" und "romantisch" im Sinne eines normierten (classical) und eines offenen (romantic) ästhetischen Kanons in der Malerei tritt in einen lebendigen Dialog mit dem Fresko des berühmten Asamschulers Günther in dem dieser Natur und Geist versöhnen wollte. Man darf gespannt sein auf dieses visuelle Gespräch zwischen Altbayern und Amerika.
notes on the paintings. Kloster Aldersbach, Aldersbach Germany
Josef Dimpfl, 2002
Versuchen
Versuchen ein doppeldeutiges Wort.
Versuchen eine lebenslange Aufgabe.
Versuchen eine immerwährende Gefährdung.
Ein Leben lang versucht der Mensch den Sinn seines Lebens zu finden, seine Talente und Fähigkeiten zu entfalten und die Welt zu entdecken. Gleichzeitig ist er versucht, falsche Wege einzuschlagen, gefährlichen Neigungen nachzugeben und eine Spur des Bösen zu hinterlassen.
„Sein zu wollen wie Gott": nennt die Bibel im Buch Genesis die größte Versuchung des Menschen (vgl. Gen 3,1ff). Das Streben nach absoluter Macht, die Neigung, alles besitzen zu wollen, ist die größte Gefahr für das Wohl der Schöpfung. In umgekehrter Weise gerät Jesus Christus in Versuchung „nicht ganz Mensch sein zu wollen". Könnte er nicht im Notfall umschalten auf seine göttliche Macht? Bei Hunger Steine in Brot verwandeln, im Fallen die Engel Gottes herbeizaubem, in Ohnmacht der Macht der Welt vertrauen. Würde auch das sensationelle Zeigen der Allmacht Gottes unserem Bedürfnissen nach Beweisen entgegenkommen, zeigt uns die uneingeschränkte Annahme der menschlichen Natur durch Jesus Christus, Gottes heilbringende Solidarität mit den Menschen. Die Versuchung Jesu Christi ist Zeichen seiner wahren Menschlichkeit, seiner Inkarnation in diese Welt und eröffnet zugleich eine Vision in die Zeit, in der die Schatten dieser Welt gewandelt werden, die göttliche Herrlichkeit sich zeigen wird und Gott und Schöpfung in Harmonie leben. „Er lebte mit den wilden Tieren und Engel kamen und dienten ihm" (Mk1,13b).
Der Künstler David John Flynn nähert sich diesem spannungsreichem Thema mit den Mitteln der äußersten Abstraktion, deren Formen, Farben und Strukturen sich dennoch aus Vorlagen in der Schöpfung und der künstlerischen Tradition speisen. Dadurch wird eine große Offenheit erreicht ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Die Bilder können gelesen werden, ohne sich in einfachen eindimensionalen Klischees zu verlieren. Es wird nicht die Versuchung eines bestimmten Menschen abgebildet, sondern die immerwährenden Versuche des Menschen ins Bild gesetzt, die in der Versuchung Jesu Christi auf den Punkt gebracht werden. Die Farbgebung der drei Versuchungen in den Primärfarben gelb, rot, blau zeigt uns das grundsätzliche Anliegen dieser Bilderserie. Ebenso verdeutlicht die gleiche Basisstruktur der Bilder diesen elementaren Ansatz. Die Grundstrukturen des menschlichen Seins sind gleich. Der einzelne Mensch entwickelt im Zusammenspiel von vorgegebenen und eigenen Entscheidungen eine individuelle persönliche Lebensstruktur. Die Schablone „Stein" für die Wüste baut den Hintergrund dieser Bilder auf und erinnert in ihrer Aneinanderreihung an komplexe Grundbausteine und Strukturen jeglichen Seins. Eine weitere Verbindung zwischen allen Geschaffenen zeigen die vereinfachten Formen für Sträucher und Pflanzen und die an Kinderzeichnungen angelehnten Tierumrisse, die sich in der Form der Engelsflügel wieder finden lassen oder umgekehrt.
David John Flynn baut auch das vierte große Bild - es zeigt die Situation nach der Versuchung und ist zugleich eine Vision in eine Zeit, in der alle Versuche an ihr Ziel gelangt sind - aus dem Schablonenmaterial der Versuchungen auf, aber in gewandelter Form: Der Schatten des Bösen ist gewichen. Die Zeiten haben sich gewendet. Das Bild ist gedreht und zeigt das Göttliche und das Geschaffene auf gleicher Höhe in Einheit und Harmonie. Das Ende der VerSuche bedeutet nicht Eintönigkeit und Langeweile, sondern spannungsreiches Ineinander und Miteinander. ' An dieses Bild ist oben ein Bild der gleichen Breite und einem Drittel der Höhe angekoppelt. Die Farbe des Lichtes und die Schablone eines stark abstrahierten Engelflügels, mehrmals ausgeführt und die fünf kleinen Engelsschablonen aus der spanischen Tradition der Beatus entnommen, ebenso stark abstrahiert und unauffällig in die Struktur des Bildes eingewebt, zeigen das Einbrechen des Göttlichen in diese Erde. "Und es kamen Engel und dienten ihm " (Math4,11b). Das Schemenhafte. und Undeutliche in diesem Bild kommt der Erfahrung des Menschen entgegen, erst im Nachhinein, in der Rückschau das Wirken des göttlichen im eigenen Leben erkennen zu können. Der Kreis ohne Anfang und Ende als Zeichen des Göttlichen wird in den Bildern ins Ovale gedrückt. Mit der viermaligen Verwendung der Schablone „Kreis", immer leicht versetzt in veränderter Breite und in der Farbe rot, nähert sich David John Flynn der Gestalt Christi in abstrakter Weise an. Dynamik und Bewegung, Lebenskraft und Herzensenergie sprechen aus diesen Strukturen. Ebenso nisten sich im Schatten die dunklen Seiten des Lebens, die Kräfte und Strukturen des Bösen in die Bilder ein ohne ihnen eine Gesicht zu geben, um einer Vereinfachung der komplexen Wirklichkeit des Bösen und einer einseitigen Lösung der Frage nach Warum und Woher zu entkommen.
Alles kann für den Menschen zur Versuchung werden. Die drei Versuchungen Christi können als inhaltliche Verdeutlichungen der komplexen Wirklichkeit von Suchen und Versuchen verstanden werden. Sie werden nicht in den großen Bildern dargestellt, sondern als bilderweiternde Elemente an die Großen angehängt. Eine Methode, die David John Flynn bei den italienischen Malern des 15. Jahrhunderts kennen und als Möglichkeit Bilder zu Raumobjekten zu erweitern schätzen gelernt hat. Die Schablone „Stein" verbunden mit einer Schablone „Brot" stehen für die erste Versuchung. Die mehrmalige Verwendung der Schablone „Kirchengrundriss" steht für die zweite Versuchung. Es ist der Grundriss der Kirche von Zillis, an deren bekannter Holzdecke sich drei Bilder der Versuchungsgeschichte befinden. Die Schablone für die dritte Versuchung zeigt eine von oben betrachtete Weltkugel, deren Kontinente flach nach oben gezeichnet wurden.
In der starken Abstraktion und der technischen Vereinfachung und Vereinheitlichung des kreativen Malaktes mit Hilfe der Schablonen, gelingt es David John Flynn Versuchung als inneres Geschehen zu zeigen ohne die Verankerung in der Welt aus dem Auge zu verlieren und die Versuchung Christi als Brennpunkt aller VerSuche des Menschen ohne einseitige moralische Festlegungen ins Bild zu setzen. So schön kann Versuchen sein.
Pfarrkirche St. Anton, Munich. Germany
Dr. Christoph Becker, 1998
david john flynn paintings
David John Flynn hat die Entstehungsprozess seiner Werke und damit sein künstlerisches Konzept selbst beschrieben. Es ist selbstverständlich, daß er sich in seiner Muttersprache ausdrückt. Unter dem lapidaren Titel „Notes on the Paintings 1997“ hat er mit bemerkenswerter Klarheit gesagt, worauf es ihm ankommet und die ungewöhnliche technische Seite seiner Kunst erläutert. Dieser Text bildet das eigentliche Vorwort zu diesem Katalog.
Notizen über die Gemälde
Meine Auseinandersetzung mit Kunst findet sehr stark über die Inhalte und Aspekte der Malerei und ihre Entwicklung statt. Das grundlegende Thema meiner Malerei ist die Versöhnung von Widersprüchen, die innerhalb der Malerei entstehen. Malerei wurde immer der Klassik oder der Romantik zugeordnet, wobei jedes der Systeme das andere ausschloß. Meine Arbeit war immer klassisch romantisch oder romantisch klassisch. Früher malte ich Gemälde, die die Sprache des „Abstract Expressionism“ benutzen, um konstruktive Bilder zu schaffen. Im allgemeinen wurden diese Bilder als eine weitere Ausformung des Informell angesehen und missverstanden.
Der Versuch, meine Anliegen und Absichten zu verdeutlichen, führte mich zu der Entscheidung, eine alte Technik innerhalb der Malerei, der Verwendung von „stencils“, Schablonen, für meine Zwecke zu nutzen. Indem ich die Merkmale und Formen der Malerei, Pinselstriche, Tropfen und Spritzer aufnehme, entwickle ich eine Reihe von Schablonen, die ich katalogisieren und so wieder verwenden kann, wie ich sie für den Bildbau brauche. Dieser Vorgang friert das Gestische ein und verändert seine Eigenschaften immer wieder von neuem.
Der sogenannte Katalog der Schablonen hat sich von den Bildern, die ich aus dem Malvorgang abgeleitet habe, ausgeweitet und enthält jetzt auch figürliche Bilder. Abstrakt eingesetzt, fügen diese Elemente eine neue Ebene zu, die parallel zu der abstrakten wahrgenommen und – bei Interesse – auch entschlüsselt werden kann. Die Gemälde können gleichzeitig einen lyrischen und formalen Anspruch erfüllen. Die von der Nutzung der Schablonen herrührenden klaren kanten geben dem Gemälde den Anschein, als ob es formal aufgebaut sei. Ich wähle die “images", Bilder, jedoch spontan aus und ordne sie instinktiv an. Meine Gemälde sind dekorativ; sie sollen äußerst schön sein, von einer fordernden Schönheit.
Ich betrachte außerdem ein Gemälde als Objekt, das seinen eigenen Raum fordert. Es ist nicht einfach eine Ebene, die knapp über der Wandoberfläche liegt und auch kein Fenster in einem Raum, der hinter der Wand existiert. Es ist ein „tangible object“, ein Objekt, das man berühren, begreifen kann. Die Gemälde werden mit Farben gemalt, die ich aus reinen Pigmenten, Dammarharz und Bienenwachs selber herstelle. Ich erreiche damit eine weitgehende Kontrolle über die Möglichkeiten meines Malmaterials. Anders als bei der Enkaustik benutze ich eine Technik, die es mir erlaubt, mit kaltem Wachs zu malen. Wachs ist ein gleichzeitig dauerhaftes und empfindliches Material, und es verstärkt die Leuchtkraft der Farben, ohne dabei wie Öl zu glänzen. Der Verzicht auf Öl erbringt klare und beständige Farben.
Alle Aspekte, die bei der Entstehung eines Gemäldes eine rolle spielen wie die Materialien, die Höhe, Breite und Tief des Objektes, werden von mir berücksichtigt. Ich benutze Industrienormen, Zahlenfolgen und Klassische Ordnung, um das Grundgerüst für eine Serie zu entwickeln. Auf diese Weise haben alle Gemälde einer Serie eine formale Beziehung zueinander, und ich erhalte ein Raster, auf welchem die unbewußten und zufälligen Elemente wirke können.
Jedes Objekt innerhalb einer Serie muß für sich stehen können. Es soll jedoch auch an andere Gemälde aus der eigenen Serie oder anderen Serien angedockt werden. Dies kann willkürlich entstehen, um den Zufall zu betonen. Kriterien wie oben und unten haben keine Bedeutung. Jede Zusammenstellung von Gemälden, an der auch der Endnutzer teilnehmen kann, zeigt nur eine der möglichen Formen.
Die Gemälde entwickeln ihre innere Ordnung aus dem Malakt. Sie entstehen aus einer Reihe von Entscheidungen. Ob diese intuitiv oder objektiv getroffen werden, ist von geringer Bedeutung, da sie immer persönlich sind. Der Widerstreit zwischen dem Formalen und dem Expressiven in einem Gemälde soll nicht die Unvereinbarkeiten in den Zielen der Malerei darlegen, sondern die in der Malerei vorhandenen Möglichkeiten zum Vorschein bringen. Die dadurch entstehende Spannung wird als Herausforderung angesehen und angenommen. Die Gemälde sind konsequent inkonsequent.
David John Flynn hat ein Konzept: Prozeß und Erscheinung sind die zentralen Begriffe seiner Kunst. Er hat erkannt, daß Künstler seit Jahrhunderten Lösungen für ein immanentes Problem der Malerei suchen, den Konflikt zwischen dem Herstellen eines Bildes und seiner äußeren Form. Am ende des 20. Jahrhundert hat sich das Problem zur Krise der Malerei verdichtet: Warum entstehen Bilder noch in den traditionellen Techniken der Malerei, mit Pinseln und Farben auf einer Flache? Sind sie von neuen elektronischen Methoden der Bildherstellung nicht längst überholt? Es hört sich paradox an: David John Flynn hat keinen weg aus der Krise gefunden, weil er ihn nicht sucht. Für ihn ist die Krise der Malerei eine unumstößliche Tatsache. Für das Problem hingegen hat er eine zugleich einfache wie überzeugende Antwort.
Sein Ausgangspunkt ist die Überzeugung, daß es traditionell zwei Konzepte für die Malerei gibt, die er das „klassische“ (classic) und das „romantische“ (romantic) nennt.Einem normierten ästhetischen Kanon, dessen Regeln nicht verletzt werden dürfen, steht ein offener Kanon gegenüber, dessen Regeln vom Künstler übertreten oder außer Kraft werden ( im 20. Jahrhundert lassen sich die Pole am Gegensatz der abstrakten Kunst und des abstrakten Expressionismus oder Informel festmachen). Hier setzt David John Flynn an, wenn er über seine Malerei sagt, sie sei sowohl „classically romantic“ als auch „romantically classic“. Was sich wie ein versöhnlicher Zirkelschluß anhört, entpuppt sich als durchdachtes ästhetisches Konzept, bei dessen Visualisierung die künstlerische Technik eine zentrale Rolle spielt. Die Schablonen, die er sich aus festem Karton zurechtschneidet, sind nur über einen gewissen Zeitraum verwendbar, bis sie verbraucht sind. So entstehen Serien, in denen das gleiche Motiv in unterschiedlichen Farben und Konstellation auftaucht. Der stil, in dem Bilder gemalt sind, ist sekundär, denn sie sind wie ein Fundus an Motiven, in dem alles möglich ist. Um aus diesem Motivfundus eine individuellle und kreative Kombinatorik zu entwickeln, müssen auch die Bilder vorab auf festgelegte Grundformen des Umrisses und die technischen Aufbaus festgelegt werden. Aus der Zusammenstellung von zwei oder mehreren Einzelwerken entstehen Bildobjekten. Jedes Bildobjekt kann also alle formalen Elemente in einer scheinbar beliebigen Kombination aufnehmen, so daß sie Einzelbilder wie Bausteine oder Module funktionieren. Die ästhetische Qualität jedes einzelnen Moduls – seine Schönheit – müßte sich durch die Kombination qualitativ steigern lassen, die kombinierten Bildobjekte müßten dadurch „noch „schöner“ werden. In dieser Steigerung verbirgt sich Ironie und Distanz, zwei Wesenszüge von David John Flynns Kunst, die man vielleicht erst auf den zweiten Blick wahrnimmt. Was zunächst nach einem stereotypen Baukastenprinzip anhört, entpuppt sich als subtilels Speil – vom Betrachter als ästhetisches Vergnügen empfunden. Und das „Problem“, von dem wir ausgegangen waren, wird schließlich ad absurdum geführt. Es verschwindet – im Spiel von David John Flynns kreativer Kombinatorik.
Galerie Harthan, Stuttgart, Germany
Gabriele Czöppan, 1994
Wechsel zwischen plastischer Abstraktion und malerischer Figuration
Der Kunsthistoriker Meyer Schapiro (von Willibald Sauerländer als „Partisan der Moderne und der abstrakten Malerei" beschrieben) schrieb bereits 1957: „Was Malerei und Skulpturen in unserer Zeit so interessant macht, ist ihr hohes Maß an verweigerter Kommunikation. Was Schapiro hier noch vor dem gewaltigen Einbruch der Medien in den Kunstbereich vorhersah, charakterisiert heute wieder das Kunstschaffen vieler Zeitgenossen: Im Zeitalter der Reizüberflutung durch ein Überangebot an elektronischen Medien beschränken sich viele Künstler auf den eigentlichen Gegenstand und den Schöpfungsprozeß ihres Werkes. Neben der Suche nach veränderten Beziehungsfeldern wie Politik und Kommunikation (wie etwa Jenny Holzer), Erotik und Körper (Cindy Sherman, Kiki Smith) oder Realität und Medien (Gary Hill, Bill Viola) rückt dabei das gemalte Bild wieder ins Zentrum ihres Interesses.
Nach dem Aufwallen der neoexpressiven Malerei aus Europa in den 80er Jahren, die auch die Neue Welt wie eine Woge überschwappte, tritt nun das Charakteristische der amerikanischen Kunst wieder zutage. Sie lenkt den Blick auf die Künstlichkeit der Kunst, auf das Gemachte ihrer Hervorbringung, auf die Bedeutung, die die Werke durch den Kontext, in dem sie erscheinen, gewinnen. Sie zeigt den Künstler weniger als ein kunstschaffendes Naturwesen als einen Menschen, der Kunst „macht". Das Handwerk, der Prozeß des Realisierens, besitzt seine eigene Würde und stiftet seinen eigenen Sinn. Das Gemachte ist den Werken als Bedeutung eingeschrieben.
„Ihre Größe besitzt die amerikanische Kunst im Sichtbarmachen", erkannte Wolfgang Max Faust 1993 im Katalog zu der Berliner Ausstellung „Amerikanische Kunst im 20. Jahrhundert". „Sie treibt die Bedeutung an die Oberfläche. Sie will eine Wirkung unmittelbar".
Der Maler David Flynn geht mit seinen „Objektkästen" an die Grenzen der Malerei. Als Bildträger wählt er nicht Leinwand oder Papier, sondern Holzkästen, die er mittels Schablonen mit Wachs-Pigment-Mischungen beschichtet. Trotz greller Farbigkeit und abstrakt anmutender Bildflächen bleiben die Strukturen so stets sichtbar. Das gemalte Bild erhält eine greifbare Tiefe.
Seine Motive wählt David Flynn aus dem Alltag, aus schnellen Videoclips des Musikkanals MTV ebenso wie aus Büchern der Kunstgeschichte. Figurenumrisse von Barbiepuppen und Ampelmännchen, Heraldik-Zeichen und Phantasie-Signets mischen sich zwischen Kringel, Kreisel oder Streifen. Doch was auf den ersten Blick als optisch reizvolle konkrete Form erscheint, entpuppt sich bei näherem Hinsehen schnell als Schein Realität. Das Bild ist eben kein gemalter „point-of-view", keine formale Variation eines schon bekannten Gegenstands, keine einfache Collage. Das, was der Maler vor Ort in den Medien konkret gesehen hat, wird in seiner künstlerischen Fassung abstrakt.
David Flynns Reliefs enthalten eine Chiffre: Wie kommt man hinter die Sache oder in diese hinein. Die Frage setzt eine Bewegung voraus, einen ständigen Wechsel des Blickwinkels. Mal gemahnen sie an das plastische Bestreben des Bildhauers, mal beschränken sie sich ganz auf die Bildfindung zwischen Farbe und Fläche.
Besonders deutlich wird Flynns Gestaltungsprinzip in seinen schwarzen Bildern. Reduziert auf die Farbe aller Farben ist das Bild hier auf sein Innerstes konzentriert. Die groben Muster unterscheiden sich nur durch minimale Tonabweichungen;
Schleifen, Gitter, und Punkte sind vor allem durch ihre unterschiedliche Oberflächenstruktur zu lesen. In ihrer Zeichenhaftigkeit und Ausdruckstärke erinnern sie an magische Symbole oder orientalische Kalligraphie ebenso wie an ein Zitat aus der amerikanischen Kunstgeschichte. Die Farbe Schwarz beschäftigte Maler wie Frank Stella, Franz Kline und Ad Reinhardt, der damit auch sein Credo glaubhaft machte: „Kunst ist Kunst-als-Kunst, und alles andere ist alles andere".
David Flynns kastenartige „Gemälde" versammeln sozusagen assoziativ Material für sein imaginäres Abbild der Realität. Sein Bestreben ist das Auffinden einer verbindlichen Ordnung im Kunstwerk selbst. Obgleich ganz aus der sinnlichen Intuition heraus gemalt, aus dem, was man sieht, wahrnimmt und erfährt, ist das bildliche Ereignis stets unemotional, objekthaft und klar. Spuren der Erinnerung, Teile von Fernsehbildern, wie sie beim schnellen Umschalten von einem Kanal auf den anderen vage im Gedächtnis haften bleiben, gefilterte Medienbilder und „echte" Nahsichten, bildnerischer Gestaltungswille und assoziatives Zitateinflechten gehen in ein unlösbares Ineinander über. Dargestellte Wirklichkeit vernetzt Flynn zu einem Kommentar über Betrachtung und Anschauung der Malerei heute.
David Flynn «paintings», Galerie Oliver Schweden, Munich, Germany
David Flynn, 1988
Letters Home
Letters Home
After the ex-pat paintings I returned to the abstract. These paintings continued not only my search for the personal in painting. References to events, perceived nature and the sublime were still important aspects of my work as well as the formal aspects of painting.
I now pushed the abstract to the forefront. I used the language of the informel to create classical works. Painters such as Weiler, Schumacher and Kirkeby were new to me. I saw similar interests in where my work was going but my need for a more inclusive painting led my work to use appearance and reality.
Munich, Germany 2008
From the catalogue “letters home” 1988
Living in an era when for most people the mysteries no longer exist makes it difficult to accept the possibility of art. Too often we sit back and command the spirit, “Move me!” I am striving, under my own initiative, to move with the spirit. Prayer is an active attempt to converse with the spirit, just as my paintings is a discourse with my soul. This is not accomplished by the representation of the physical, but by the means of searching for personal forms f suggesting the spiritual: a way to show things that should not be explained.
The pictures that are successful were realized at times when I was prepared to paint and willing to surrender myself to the volition of my paintings. Not imposing my desires but submitting to my paintings alls me to be carried down the road to Damascus.
Kellergalerie Schaezler-Palais, Augsburg Germany
David John Flynn, 1980 – 1986
The ex-pat paintings
At the beginnings of my stay in Germany I was reading the novels and biographies of US ex-patriot writers from the first half of the 20th century (Hemingway, Miller, Vidal…). These books presented emotionally charged and highly personal works within the formal strictures of a novel. This idea intrigued me and I began a series of paintings based on my stay in Munich.
At first glance, an ex-pat work appears to be a painting of specific people, doing specific activities at a specific time. Visual realism in terms of a depicted image. However, the work also represents an object, the photograph. Scale and proportional relationships in these paintings are based on the formats of Polaroids or 35-mm film. Realism within the tradition of still life painting, a painting of a photograph instead of flowers. It did not end there. Forms and structures of abstract painting from the 60’s and 70’s were cited in these small paintings. Morris Louis’s unfurleds, Jules Olitski’s color field paintings and Hoffmann's push/pull are just a few of the references in these works. These paintings successfully combined opposing canons in painting.
Unfortunately the first impression of this work is so strong that the other issues are pushed into the background. About this time, I had my first real contacts with the works of Gabriele Münter. Working through her influences I started to break down the imagery and returned to working more and more with color.
Munich, Germany 2008
art and Nature II, Galerie Fenna Wehlau, bis 30 Juli 2021
up coming: im Gründe nichts, Neue Galerie Landshut,